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Guatemalas Palmöl-Boom
Eine Industrie frisst sich ins Land

Guetemalas Palmöl-Boom

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Palmöl steckt in unseren Lebensmitteln, landet als Biodiesel im Tank oder als Futter im Schweinetrog. Doch in den Anbauregionen des Globalen Südens leiden Anwohner*innen und die Umwelt unter den gigantischen Plantagen.
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Brennende Regenwälder und Orang-Utans, deren Habitate schwinden: Seit Jahren gehen Bilder der Vernichtung von Natur und Lebensgrundlagen aus Asien um die Welt. Eine Hauptursache ist der Anbau von Ölpalmen in riesigen Monokulturen – auch für Palmöl, das nach Europa exportiert wird.
Um die ungeheure Nachfrage nach dem billigen Rohstoff zu stillen, sucht die Industrie ständig neue Flächen. Mittlerweile besonders im Blickfeld: Mittelamerika. Palmölunternehmen haben die Region zur Wachstumszone erklärt und wittern das große Geschäft. Überall schießen Plantagen aus dem Boden.

Die angrenzenden Gemeinden bekommen die fatalen Auswirkungen bereits heute zu spüren. So auch entlang des Unterlaufs des Río Chixoy, dem »schwarzen Fluss«. Hier, an der Grenze zu Mexiko, drängen die Ölpalmen immer weiter vor. Doch es formiert sich Widerstand in der Bevölkerung. Wir sprachen mit den Menschen vor Ort.
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Der Palmöl-Boom in Guatemala

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Tortillas aus Mais sind Grundnahrungsmittel in Guatemala. Doch in Sonora fehlen die Grundzutaten zur Zubereitung.
Tortillas aus Mais sind Grundnahrungsmittel in Guatemala. Doch in Sonora fehlen die Grundzutaten zur Zubereitung.
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Elsa Kej lebt in der kleinen Gemeinde Sonora, im äußersten Norden der Region El Quiché. Landwirtschaft wurde hier lange vor allem zur Selbstversorgung und für den lokalen Markt betrieben. Mais, Bohnen und Kürbis bilden das Herzstück der »Milpa«, dem traditionellen Anbausystem der indigenen Bevölkerung. Diese drei Pflanzen eignen sich ideal zum gemeinsamen, ressourcen- und bodenschonenden Anbau. Bodenregeneration und Artenvielfalt stehen im Mittelpunkt, womit die »Milpa« das genaue Gegenteil von der profitmaximierenden, monokulturellen Palmöl-Produktion ist.

Heute bestimmen Ölpalmen das Landschaftsbild rund um Sonora, die »Milpa« hat kaum noch Platz. "Mit den Palmen kamen die Probleme", berichten die Menschen. Der enorme Durst der Plantagenpflanzen ist ein Problem: Er sorgt für trockene Brunnen und zwingt die Bewohner*innen Sonoras zu meilenweiten Märschen zur nächsten Wasserstelle. Vor allem in niederschlagsarmen Jahren können ihre Pflanzen nicht ausreichend mit Wasser versorgt werden. Missernten und ein Mangel an Lebensmitteln sind die Folgen.
Dass Ölpalmen nachhaltig angebaut werden können oder eine friedliche Koexistenz mit ihnen möglich ist, glauben die Wenigsten hier. Deshalb hat die Gemeinde damit begonnen, den Widerstand gegen die großen Palmölunternehmen zu organisieren.
Ein verheerendes Ereignis ganz in der Nähe hat ihnen besonders vor Augen geführt, welche Bedrohungen von den Plantagen ausgehen.

Tortillas aus Mais sind Grundnahrungsmittel in Guatemala. Doch in Sonora fehlen die Grundzutaten zur Zubereitung.
Tortillas aus Mais sind Grundnahrungsmittel in Guatemala. Doch in Sonora fehlen die Grundzutaten zur Zubereitung.
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Der Ökozid

Der Weckruf kam im Jahr 2015. Knapp 50 Kilometer nördlich von Sonora vereinigt sich der Río Pasión mit dem Chixoy. Zuvor durchfließt er ein Gebiet, in dem das Unternehmen REPSA riesige Palmölplantagen bewirtschaftet. Dort ist die Ursache für den ersten Ökozid der Region zu finden, bei dem der Großteil aller Lebewesen im Rio Pasión vergiftet wurde, erinnert sich Remigio Caal Caal. Für ihn war der Vorfall Anstoß seines Engagements in einer Bürgerinitiative gegen die Plantage.
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Pestizide, Palmöl und falsche Nachhaltigkeit

Ein überlaufendes Klärbecken und illegale Entsorgung von Abwasser - das waren die Ursachen der ökologischen Katastrophe im Río Pasión.

Warum Palmölplantagen auf Pestizide angewiesen sind und weshalb “nachhaltiges Palmöl” meist ein leeres Versprechen bleibt, erläutert CIR-Referent Dominik Groß.

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Landnahme und Arbeitsrechte

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Pestizide sind nur einer der Gründe für den Widerstand gegen die Plantagen. Wie Remigo Caal Caal lebt auch Audalia Col Bol mit ihrer Familie in El Chorro. Sie berichtet, dass seit der Ausbreitung der Ölpalmen keine Flächen für die Selbstversorgung der Dorfbewohner*innen mehr bereitstehen. Die Menschen sind daher umso mehr auf Lohnarbeit auf der Plantage angewiesen. Die Rechte der Arbeiter*innen werden jedoch in hohem Maße verletzt und Arbeiter*innen systematisch gekündigt, damit keine Sonderzahlungen an sie fällig werden. Ramiro Yat lebt etwas weiter westlich, in der Gemeinde Santa Elena. Auch er bezeugt ausbeuterische Verhältnisse auf der örtlichen Plantage und Menschenrechtsverletzungen des Betreibers.

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Falsche Versprechungen, Betrug und Einschüchterung - das ist nur ein Teil der Methoden, mit denen die Palmölindustrie Landnahme betreibt, weiß CIR-Referent Dominik Groß.

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Der mühsame Kampf gegen die Palmöl-Unternehmen

Elsa Kej mit Bewohnern der Gemeinde Sonora
Elsa Kej mit Bewohnern der Gemeinde Sonora
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Die Menschen in El Quiché und Ixcán organisieren sich gegen die Palmölindustrie, weil sie unter den Palmöl-Plantagen leiden: Sie bemühen sich um Untersuchungen des Flusswassers, um so Daten über die Pestizidrückstände zu sammeln, die die Flüsse vergiften. Auf den Plantagen setzen sie sich für bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne ein. Mehrere Gemeinden der Region haben außerdem beschlossen, dass sie keine Ölpalmen auf ihrem Gebiet mehr zulassen wollen. Auch ziviler Ungehorsam ist ein wirksam angewandtes Mittel: Als im Sommer 2021 mit Jungpflanzen beladene Lastwagen anrollten, wurden sie von Anwohner*innen blockiert - und mussten umkehren.


Es ist jedoch nicht einfach, langfristig gegen die mächtigen Plantagenbetreiber*innen zu bestehen.
Auf zivilgesellschaftliches Engagement und Widerstand aus den Gemeinden reagieren die Unternehmen allergisch. Sie schicken private Sicherheitsdienste oder decken die Aktivist*innen mit Gerichtsprozessen ein: Sieben Personen aus Santa Elena, der Gemeinde von Ramiro Yat, wurden in den vergangenen Jahren angeklagt. Vier von ihnen sind zu mehrjährigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden. In Elsa Kejs Dorf Sonora trug die Gemeinde Probleme zusammen, die durch den ansässigen Plantagenbetreiber Palmas del Ixcán verursacht werden. Die Liste der Verfehlungen ist lang: Arbeitsrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung, systematische Enteignungen. Danach reichte das Unternehmen Klagen gegen die lokalen Behörden ein. Die Palmölunternehmen senden durch ihr hartes Vorgehen eine eindeutige Botschaft: Versucht erst gar nicht, euch zu wehren, denn wir haben die Macht. Tatsächlich haben in Guatemala wirtschaftliche Eliten enormen Einfluss auf den Staat und dessen Institutionen. Das erklärt, weshalb der Staat dem Treiben der Konzerne weitgehend tatenlos zuschaut, während er seine Zähne zeigt, sobald es um die lokale Bevölkerung geht.

Leider bleibt es nicht bei Klassenjustiz, es kommt auch immer wieder zu offener Gewalt: Rigoberto Lima Choc war einer der ersten Aktivist*innen, die die Verstrickungen des Palmöl-Unternehmens REPSA in das Massensterben im Río Pasíon öffentlich machten. Er ging auch juristisch gegen die Firma vor. Am Tag nach der Urteilsverkündung wurde er von Unbekannten auf offener Straße erschossen. Vor dem Gerichtsgebäude.
Elsa Kej mit Bewohnern der Gemeinde Sonora
Elsa Kej mit Bewohnern der Gemeinde Sonora
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Verantwortung und Handlungsoptionen

Gerechtigkeit liegt auch in deinen Händen!

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Was in Gemeinden wie Sonora oder Santa Elena geschieht, hat auch mit uns zu tun. Schließlich ist Europa ein wichtiger Absatzmarkt für Palmöl aus Guatemala. Als Bürger*in und Verbraucher*in hast du Möglichkeiten, Menschen wie Elsa Kej und Ramiro Yat in ihrem Engagement zu unterstützen.

1. Menschenrechtsverteidiger*innen mit einer Spende unterstützen. Unser Partner CONGCOOP in Guatemala begleitet Gemeinden bei ihren Auseinandersetzungen mit Palmölunternehmen. Unter anderem berät die Menschenrechtsorganisation die Angeklagten in Santa Elena juristisch. Unterstütze CONGCOOP durch deine Spende an die CIR.

2. Fordere ein Europäisches Lieferkettengesetz, das Land- und Arbeitsrechte beim Palmölanbau schützt. Denn ein gemeinsamer europäischer Markt erfordert gemeinsame Regeln. Hier geht's zu unserer aktuellen Petition.


3. Augen auf beim Einkauf
Worauf du achten kannst, erfährst Du auf den nächsten Seiten.

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Mehr erfahren: Wo begegnet uns Palmöl?
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Palmöl ist allgegenwärtig in Produkten des täglichen Bedarfs. Damit liegt es auch an uns Konsument*innen, den Verbrauch zu senken. Dass unsere beliebten Schokocremes oft Palmöl enthalten, ist weitgehend bekannt. Doch wusstest du, dass jedes zweite Supermarktprodukt Palmöl enthält? Neben Schokocreme und -riegeln steckt es vor allem in Fertigprodukten, wie z.B. Tiefkühlpizzen. Insgesamt wurden 2019 im Lebensmittelsektor in Deutschland knapp 250.000 Tonnen Palmöl verbraucht! Außerdem enthalten auch Kosmetik sowie Wasch- und Reinigungsmittel oftmals Palmöl. Aber: Der Großteil des Palmöls wird hierzulande nicht im Supermarkt verbraucht. Allein der Energiesektor schluckt das doppelte der Menge, die in den Regalen landet! Hier wird ein Großteil für sogenannte Agrotreibstoffe wie Biodiesel verwendet. Zum Gück hat die Politik begonnen, dieses Problem ernststhaft anzugehen. So stellt die Bundesrepublik die Förderung von Palmöl im Tank ab 2023 ein. Andere EU-Länder sind langsamer - und auch Deutschland sollte angesichts des Kriegs in der Ukraine sofort handeln und die Beimischung so weit es geht stoppen. Ein weiterer Riesenmarkt für Palmöl ist der Tierfuttersektor: Im Jahr 2019 wurden über 150.000 Tonnen Palmöl dem Futter für Schweine, Hühner und Rinder zugesetzt. Besonders bedenklich ist dabei, dass bei dem Palmöl für Tierfutter überhaupt nicht auf Nachhaltigkeit geachtet wird.

Es ist ratsam, auf Palmölprodukte weitgehend zu verzichten. Nur wenige Zertifikate für Palmöl tragen das Attribut 'nachhaltig' zu Recht. Vertretbar sind zum Beispiel GEPA (fair+) oder "Hand in Hand" der Marke Rapunzel. Weitere Labels und unsere Bewertung dazu findest du im Labelchecker.
Doch Achtung: Auch alternative Fette und Öle - Stichwort "Rapsöl" - können problematisch sein. Deshalb: Geh am besten einen Schritt weiter und reduziere den Konsum von Pflanzenfetten insgesamt. Denn der Verbrauch steigt in Deutschland seit Jahren an. Laut Landwirtschaftsministerium allein für Lebensmittel um mehr als 50% jährlich seit 2007! Hinzu kommt der Verbrauch versteckter Öle: Ist der Laster, der deine Internet-Bestellung bringt, mit Biodiesel betankt? Dann wurde auch hier Ackerfläche für Ölpflanzen benötigt.
Sei dir bewusst, dass deine Macht als Konsument*in begrenzt ist. Die Hauptverantwortung für die Missstände tragen die Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf Ausbeutung von Mensch und Natur basieren. Damit muss Schluss sein. Unternehmen müssen lernen, auf Palmölimporte zu verzichten. In Tank & Tierfutter etwa, hat Palmöl nichts zu suchen. Und auch im Supermarktregal müssen Palmöl und Pflanzenöle seltener werden. Dazu bedarf es klare Vorgaben von der Politik,

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Konzept und Texte von Dominik Groß und Merle Kamppeter unter Mitarbeit von Sarah Lethmate und Thorsten Moll.

Alle Videos und Fotos von James Rodriguez mit Ausnahme von:
- Foto Kapitel 4-2 (Madre Selva)
- Fotos "tote Fische" in Filmclip Kapitel 3-2 mit freundlicher Genehmigung von El Informante Petenero
- Grafik Kapitel 5-2: Dominik Groß erstellt mit Canva

- Grafik Kapitel 5-3: Dominik Groß / CIR; Quelle: FONAP, Analyse des Palmölsektors in Deutschland im Jahr 2019; Erstellt mit Datawrapper

Videobearbeitung und -schnitt Lisa Backmann
Deutsche Synchronstimmen: Merle Kamppeter, Larissa Jäger, Florian Rösler und Kai Kline

V.i.S.d.P. Dominik Groß / Christliche Initiative Romero e.V.

Wir danken den Interviewpartner*innen Audalia Col Bol, Elsa Kej, Remigio Caal Caal und Ramiro Yat.
Wir bedanken uns bei CONGCOOP für die gute Zusammenarbeit.
Zustäzliche Quelle: Oil Palm, Monoculture in Ixcán Municipality, Guatemala: A Story of Dispossession and Deception von Herbert Sandoval,  Social Intercultural Movement of the People of Ixcán, Guatemala

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